Dienstag, 4. Oktober 2011

Adios Quito – Buenas La Costa!

Ich sitze (wieder einmal) auf einer Terrasse, draussen finde ich meine Ruhe am ehesten, um zu schreiben. Habe mich soeben entschieden, keine Musik zu hören, den das Rauschen des Meers nach einem intensiven Monat in Quito zu hören ist Sound genug.

Letzte Nacht habe ich mein viermonatiges Abenteuer gestartet, Südamerika zu erkunden. Mit einem Nachtbus von Quito über Atacames nach Same, einem winzigen Dörfchen weit ab vom Massentourismus. Der Strand ist breit und lang, das Meer unendlich und ich bin weit und breit der einzige Tourist, es ist Nebensaison in Ecuador. Als Traveler kannst du von diesem Umstand nur profitieren, die Zimmerpreise sind verhandelbar, die Ruhe ist spürbar. Und ich habe das beste Zimmer des ganzen Hostels ;-)). Der Start meiner Reise aber war anstrengend, ich habe mir in Quito eine Erkältung eingefahren, der Bus war wie immer völlig unterkühlt und als ich völlig schlaftrunken Morgens um fünf Uhr in Atacames ankam, hatte ich das Gefühl, fünf Frösche im Hals zu haben und vom Druck des Höhenmeterunterschieds ein taubes rechtes Ohr. Ich brauchte einige Minuten, um zu realisieren, dass ich gar noch nicht an meinem Reiseziel angekommen war. Der Tuktuk-Fahrer (ja die gibts hier auch) war leicht verwirrt, als ich ihm erklärte, dass ich noch mit dem Bus weiterfahren werde, nachdem wir vorher 3 Minuten über Preise von Hostels in Atacames verhandelt hatten, irgendwie war ich noch im Tiefschlaf :-). Und ich hatte keine Ahnung, wo ich den Bus nach Same finden kann, so ging ich einfach mal ein Stück und fragte einen Portier eines Hotels, der schickte mich wieder zurück an den Ort, wo ich ausgestiegen bin. Auf dem Weg zurück pfiff mich ein älterer Mann vehement zurück, ich solle ja nicht in diese Richtung laufen, sonst würde ich ausgeraubt werden. Ich war völlig verwirrt, aber irgendwie sagte mir ein Gefühl, ich sollte diesem Mann vertrauen; es war die richtige Entscheidung. Zurück beim Portier gewährte mir dieser Zutritt in seine Rezeption. Der Bus kam Minuten später, der ältere Mann holte mich aus dem Hotel und begleitete mich zum Bus, was für ein Engel zu früher Morgenstunde!

Ich erachte die (Un)-Sicherheit als grösstes Problem dieses Landes, obwohl ich noch nirgends auf der Welt so viel Polizeipräsenz gesehen habe. Rafael Correa, Präsident von Ecuador, konnte viele soziale Ungerechtigkeiten beheben, gleichzeitig öffnete er die Grenzen, für viele Leute der Grund für die aktuellen Probleme des Landes. Viele Einwanderer aus Peru, Kolumbien und anderen Ländern Südamerikas versuchen ihr Glück in Ecuador des US-Dollars wegen, Arbeit aber gibt es zu wenig hier. Die Folgen sind absehbar, entweder arbeiten die Einwanderer illegal, betteln sich durch die Grossstädte oder werden kriminell. Ich fühle mich nicht unsicher hier, mir ist auch noch nichts zugestossen, aber man hört viele Geschichten, die einem nachdenklich stimmen. Ich habe in den letzten vier Wochen ungefähr 10 Personen kennen gelernt, die ausgeraubt wurden, teils mit Gewalt. Meine Konsequenzen; Achtsamkeit und ein selbstbewusstes Auftreten. Ich meide die Leute nicht, schaue ihnen in die Augen und spreche sie an, wechsle selten die Strassenseite und beobachte Alle(s), was ich in meiner Umgebung sehe. Ich möchte hier kein falsches Bild des ecuadorianischen Volks abgeben, die überwiegende Mehrheit der Menschen hier sind sehr warm und herzensgut, auch sie fürchten sich vor den Überfällen und sind oft selbst Opfer, Touristen sind einfach eher noch potentiell „Reiche“ mit besser gefüllten Hosentaschen und darum vermehrt Ziel dieser Taten.

Alejandro + Bruno, meine zwei neuen Freunde
In den letzten drei Wochen habe ich unglaublich viel erlebt in Quito, dies war ein Grund, warum ich unbedingt an die Küste wollte; Ruhe finden und die Eindrücke verarbeiten. Ein paar wertvolle „Souvenirs“ sind mir geblieben. Mitte dieser Woche werde ich meine zwei besten Freunde aus der Stadt wiedertreffen. Zum einen ist da Bruno, ein 40-jähriger Franzose aus Toulouse, geschieden und Vater von zwei Kindern, die ihn in Buenos Aires besuchen werden. Er ist völlig mein Typ, vom Charakter her eher der Ruhige, hat gleiche Vorstellungen vom Reisen und ist einer der wenigen Studierenden aus meiner Sprachschule, der sich zwingt mit mir Spanisch zu plaudern, obwohl uns das Kommunizieren in Französisch um einiges einfacher Fallen würde ;-). Wir werden zusammen die Küste von Ecuador und die Galapagos Islands bereisen! Ja genau, ich habe mich überzeugen lassen (trotz den hohen Kosten) dieses Paradies der Tiere zu besuchen. Einfach ein wenig auf eine andere Art, neben dem Flug für 250 Fränkli haben wir keine der luxuriösen Bootstouren gebucht, wir werden die Inseln individuell mit Tagesausflügen erkunden und ganz günstig übernachten, ich glaube es wird gut! Ah und zum anderen ist da Alejandro, ein 28-jähriger Italiener aus Varese, der zwar überhaupt nicht wie ein Italiener aussieht, sich aber dafür umso mehr wie einer verhält. Alejandro redet mit allem, was ihm begegnet, egal ob Disco-Sicherheitsmann, Bardame oder wildfremde Leute auf einer Tour und er hat einen unglaublichen Charme, mit dem er fast alles kriegt, was er will. Ich glaube er kennt bereits die ganze Stadt, oder besser gesagt, die Stadt kennt ihn ;-). Das gibt ihm eine leicht nervöse Note, die ich wahrscheinlich beim Reisen nicht für Monate aushalten würde, in Kombination mit Bruno sind wir aber das Dreamteam schlechthin. Er wird uns für vier Tage begleiten, bevor er dann im Nordwesten von Ecuador für 6 Monate in einem Projekt arbeiten wird.

Ich habe also doch noch wirklich gute Freunde kennen gelernt in Quito, darunter auch ein paar Einheimische, mit denen ich eine wunderbare Zeit geniessen durfte. Und ich kann inzwischen auch das „Alleinsein“ geniessen, mehr noch, man muss sich die Zeit bewusst nehmen, um dies überhaupt noch zu können. Was mir besonders gefällt beim alleine Reisen ist diese Unabhängigkeit, ich bin nichts und niemanden etwas schuldig und mache nur das, was mir gefällt. Alles Andere wäre reine Zeitverschwendung. Es wimmelt hier nur so von 20-jährigen Traveler und ich musste zuerst merken, dass die zehn Jahre Altersunterschied (ogai sorry 11 ;-)) in diesem Alter einfach eine zu grosse Hürde ist, um eine Freundschaft aufzubauen, man ist an einem anderen Punkt im Leben, hat andere Interessen und andere Erfahrungen, die beim gemeinsamen Reisen ohne Filter aufgedeckt werden. Darum finde ich es ganz wichtig, ehrlich zu sein und auch mal Nein zu sagen, auch wenn das Gegenüber dann ein wenig erstaunt ob der vielen Ehrlichkeit sein mag und es einen kurzen Moment unangenehm wird.

Eine süsse Reisebegleitung in Mindo
Ich lasse es sein, meine Ausflüge detailliert zu beschreiben, habe eher versucht, die Fotos nach Orten zu sortieren, pickt euch doch raus, was gefällt, es sind sehr viele Eindrücke.

Meinen heutigen Blog werde ich mit ein paar Erzählungen aus meinem Alltag in Quito mit dem Projekt „Camp Hope“ und meiner Spanischschule schliessen. Ab der zweiten Woche war ich definitiv ein vielbeschäftigter Mann, um 7 Uhr in der Frühe nahm ich jeweils den Bus ganz in den Norden von Quito, tagtäglich wieder ein einstündiges Erlebnis sondergleichen, ich konnte inzwischen sogar meine Angst vor den teils wirklichen wilden Busfahrten ablegen. Ab 8 Uhr arbeitete ich dann den Morgen im Bastelatelier mit 7 behinderten Kindern (warum verschlägt es mich immer wieder in diesen Bereich, obwohl ich weder Zeichnen noch Basteln kann?!?, Gott hab ich mir gewünscht, meine beiden Schwestern oder meine Mutter in der Hosentasche dabei zu haben ;-)). Die Varietät der Behinderungen in dieser Sonderschule reichte von Lähmungen, Taubheit, Stummen, Spastikern bis hin zu einem Jungen mit dem Down-Syndrom und machte die Arbeit wirklich interessant. Und ich war erstaunt, wie professionell diese Leute beschäftigt und begleitet werden. Jeder der Bewohner verfügt über eine individuelle Förderplanung, die gebastelten Objekte werden für gutes Geld an Unternehmen verkauft und die Fluktuation der Mitarbeitenden beläuft sich zwischen 1 – 2 %, davon können einige Organisationen in der Schweiz nur träumen. Meine Professora war herzlich und bei meinem Abschluss so was von emotional, dass ich etwas überfordert mit der Situation war.

Ab 14.00 Uhr hatte ich dann jeweils vier Stunden Spanischunterricht, nach ein wiederum einstündigen Busfahrt. In den ersten zwei Tagen für mich zu viel, die Eindrücke zu stark, die Probleme mit der spanischen Sprache zu gross. Ich hatte aber Glück, meine Spanischlehrerin ab der zweiten Woche spürte meinen Gemütszustand und holte mich auf wunderbare Weise ab, so dass ich den Nachmittag jeweils als Erholung und sprachliche + kulturelle Bereicherung geniessen konnte. Caty weiss inzwischen einiges über mein Leben, in wöchentlich 20 Stunden erzählt man sich doch so einiges aus dem Leben ;-).

So meine Freunde, jetzt folgen noch die Fotos, ich freue mich weiterhin auf eure netten und schönen Kommentare und alle e-Mails, ich versuche sie von Zeit zu Zeit zu beantworten. 





- Fotos aus Quito: https://picasaweb.google.com/silvan.riccio/EcuadorQuito?authuser=0&authkey=Gv1sRgCLa52-id96bFnAE&feat=directlink
- Fotos aus dem Projekt Camp Hope (es folgen noch mehr): https://picasaweb.google.com/silvan.riccio/EcuadorProjektCampHope?authuser=0&authkey=Gv1sRgCOq4ramB1MfoNA&feat=directlink
- Vulkan Cotopaxi: https://picasaweb.google.com/silvan.riccio/EcuadorCotopaxi?authuser=0&authkey=Gv1sRgCPvfyKbKn9uN6AE&feat=directlink
- Mindo: https://picasaweb.google.com/silvan.riccio/EcuadorMindo?authuser=0&authkey=Gv1sRgCPf689Hv0sexwwE&feat=directlink

- Midad del Mundo: https://picasaweb.google.com/silvan.riccio/EcuadorMidadDelMundo?authuser=0&authkey=Gv1sRgCLbej6bWqtbvqwE&feat=directlink

 

Hasta la proxima!

Silvan