Dienstag, 31. Januar 2012

Eine Liebeserklärung an Südamerika

Wie schon beim Verfassen meines ersten Blogs sitze ich am Strand und geniesse meine letzten Stunden auf einem Kontinent, der mir ans Herz gewachsen ist. Ein kleines Beispiel gefälligst? Gerade eben bin ich am Strand von einem Peruaner angesprochen worden, ob ich mich nicht zu seiner Familie setzen möchte um ein bisschen zu quatschen. Ich kenne inzwischen seine Freundin und seine beiden Cousinen und wir haben uns für heute Abend spontan verabredet, um gemeinsam ans Dorffest zu gehen. Mal ganz ehrlich, ist das jemanden von euch schon jemals passiert in der Schweiz? Anfänglich musste ich mich als Schweizer auch an diese Offenheit gewöhnen und war öfters kritisch und zurückhaltend, inzwischen lasse ich mich auf solche Dinge ein, ganz einfach weil es wunderschöne Begegnungen sind, die Leute hier einfach Interesse am Gegenüber zeigen und die Offenheit mitbringen, die uns oft fehlt, eine beneidenswerte Eigenschaft der Südamerikaner. Ich weiss, dass wir Schweizer eine völlig andere Mentalität haben und auch sehr nett sein können, aber schon nur ein Bruchteil dieser Herzlichkeit gegenüber Fremden würde, so glaub ich, einige aus dem Alltagstrott des Individualisten ziehen. Probiert es doch mal aus, ich für meinen Teil habe mir fest vorgenommen, in Zukunft ein bisschen weniger mit der Einstellung „hey was will der von mir?“ auf Fremde zu reagieren und auch mal aktiv jemanden ansprechen, der alleine ist und vielleicht gerne Gesellschaft hätte.

la abuela in action, Weihnachten peruanisch
Es ist viel Zeit vergangen seit meinem letzten Blog, als Entschuldigung für meinen fehlenden Dezemberbericht mache ich die Familie von Rocio (die Frau von Schenk) und meine nimmer Müde Besucher Buri, Dävu und Schenk aus der Schweiz verantwortlich ;-)). Wer schon mal eine peruanische Weihnachten erlebt hat, dem muss ich wahrscheinlich nicht mehr viel erklären. Hat jemand von euch schon mal mit der 88 jährigen Grossmutter bis um 6 Uhr in der Frühe gefeiert und getanzt?! Tja so läuft das bei der Familie Urbano in Lima, und wir hatten noch etliche andere Familienfeste, eigentlich weiss ich gar nicht mehr so genau was wir jeweils gefeiert haben, aber vor Tagesanbruch ins Bett zu gehen scheint in dieser Familie tabu zu sein...Aber schön war es, speziell an Heiligabend hat mir meine Familie schon fest gefehlt, und ich war sehr froh, dass ich auf dieser Reise mit sehr guten Freunden und bei einer wunderbaren Familie Weihnachten feiern konnte und nicht irgend in einem Hostal verbringen musste.

Medellin, von einem Aussichtspunkt aus
Überhaupt bin ich in den letzten zweieinhalb Monaten immer wieder von mir eng vertrauten Personen umgeben gewesen. Ich konnte so auf meiner Reise den Luxus geniessen, einen Mix aus alleine Reisen und Gesellschaft von sehr guten Freunden zu haben. Angefangen hat alles in Medellin (Kolumbien), welche ich zu meiner Lieblingsstadt in Südamerika erkoren habe. Dort hat mich Cathalina (Cousine von Michel, Ehemann von Ursula, kompliziert gell ;-)) empfangen und mir die ganze Stadt aus ihrer Sicht erklärt, das Beste was einem für eine solch grosse Stadt passieren kann. Anschliessend kam Anja für drei Wochen nach Kolumbien, um mit mir den Norden des Landes inklusive der Karibikküste zu erkunden. Leider waren wir in diesen drei Wochen nicht gerade vom Glück verfolgt...Anja's Kamera und ihr ganzes Bargeld wurden aus einem Hotelzimmer geklaut, während meine Wertsachen nicht im Ansatz angetastet wurden, obwohl sie auch offen auf dem Bett lagen. Ab der zweiten Hälfte wurde Anja von immer wiederkehrenden Bauchkrämpfen geplagt, die trotz starker Antibiotika nicht schwinden wollten. Am Schluss wurde es so schlimm, dass wir einen nicht geplanten Flug von Santa Marta nach Bogota buchen mussten und dort vom Flughafen direkt in die Notfallstation eines Spitals gingen. Nach intravenösen Morphium, etlichen Telefonaten mit Versicherungen, Familie und unserem Flugspezialisten Lorenz (ein grosses Merci an dieser Stelle an dich Lorenzo), konnte Anja nach vier langen Tagen das Spital mit der Diagnose Parasiten verlassen und endlich in die Schweiz zurück kehren. Bei allem Respekt für das kolumbianische Gesundheitssystem, ich wünsche niemanden einen Aufenthalt in einem Spital hier. Obwohl als eines der besten Spitäler in Bogota angepriesen, waren wir nach vier Tagen so etwas von entnervt und am Ende unserer Geduld, dass ich unfreundlich werden musste. Anja wird hoffentlich trotz vielen Bauchschmerzen und dem Verlust ihrer Fotos auch die schönen Momente in Erinnerung behalten.

Hotelzimmer mal ein wenig anders (auf dem Schiff)
Um nach Peru zu gelangen, wählte ich eine eher unbekannte Route. Diese führte mich über Laeticia von Kolumbien nach Iquitos, eine einzigartige Stadt inmitten des peruanischen Jungles ohne Verbindungsstrasse zum Rest des Landes. Das Klima ist tropisch und die Temperaturen unglaublich hoch, meine Tagesaktivitäten beschränkten sich darum auf Ausflüge mit einem Mototaxi und ständiger Schattensuche. Weit erfrischender war dann meine dreitägige Schiffsfahrt, um weiter westlich nach Tarapoto zu reisen. Also eigentlich war es ein Cargoschiff. Von Auto, über Metall bis hin zu Schweinen wurde nämlich alles transportiert, was so auf ein Schiff passt. Und wie es der Zufall so wollte, war ich der einzige Tourist unter ungefähr 600 Peruanern. Das anfänglich erwähnte Interesse an Fremden war natürlich auch hier ungebrochen, alle meine Versuche ein Buch zu lesen musste ich aufgeben. Ich war ununterbrochen von zwei oder mehr Peruaner/innen umgeben, die mit mir über Gott und die Welt sprechen wollten. Eigentlich schön, aber nach drei Tagen hatte ich dann doch genug sozialen Austausch und war Müde. In einer Hängematte zu schlafen tönt übrigens romantischer als es effektiv ist, mein Rücken jedenfalls schmerzte jeweils nach dem Aufstehen ziemlich heftig. Ich fand so einen guten Grund mir in Tarapoto ein für meine Verhältnisse luxuriöse Bleibe zu suchen und nach dem fast ungeniessbaren Essen auf dem Schiff die exzellente Küche dieser Stadt zu kosten. Überhaupt ist die peruanische Küche meiner Meinung nach mit Abstand die Beste der von mir besuchten Ländern. Die Vielfältigkeit ist schier unbegrenzt und die Ceviche (http://de.wikipedia.org/wiki/Ceviche) einfach göttlich!

Machu Pichu, eine Klasse für sich!
Mitte Dezember empfingen mich Buri und Dävu in Mancora, dem wahrscheinlich bekanntesten Badeort von Peru. Es war ein herzliches Wiedersehen und uns gefiels so gut in diesem Ort, dass wir spontan fünf Tage dort verbrachten, bevor wir mit einem Nachtbus nach Lima reisten. Lima ist immens und wir waren froh, bei unserer Ankunft ein wenig Support von Rocio und Schenk zu erhalten um direkt an das erste von noch vielen folgenden Familienfeste geschleppt zu werden. Meine Reisekumpel werden es bestätigen, dies waren definitiv die strengsten Weihnachten meines Lebens ;-). Gut hatten wir am 27. Dezember einen Flug nach Cusco, so konnten wir uns noch einige Tage ausruhen vor dem Neujahrsfest. Cusco ist eine typische Kolonialstadt mit einer bemerkenswerten Architektur, klein und übersichtlich und vollgepackt mit Touristen aus der ganzen Welt. Kein Wunder, die verborgene Inkastadt Machu Picchu ist nur wenige Stunden entfernt und ein Muss für jeden Touristen, der dieses Land besucht. Lasst euch von der Einzigartigkeit dieses Ortes überzeugen und schaut euch die Bilder an. Die Frau in unserer Bande ist übrigens Judith, ein tolles Mädel aus Passau in Deutschland, welches uns zehn Tage begleitet hat und in jeder Hinsicht eine Bereicherung für uns war. Mit ihr überquerten wir dann auch die Grenze zu Bolivien um in unsere letzte gemeinsame Station (La Paz, die Hauptstadt von Bolivien) vor dem Rückflug von Dävu und Buri zu gehen. Bolivien tickt ein wenig anders als die anderen südamerikanischen Staaten. Die Leute sind eher scheu, oft sogar nicht sonderlich gastfreundlich und eher traditionell eingestellt. So sieht man beispielsweise auch in der Hauptstadt haufenweise Frauen in Urtrachten. Und das Leben ist hart in diesem armen Land, die Wirtschaft stagniert, es sind im Gegensatz zu Peru kaum Fortschritte zu erkennen und die Politik wie an vielen Orten hier in Südamerika korrupt. Was Bolivien für mich so einzigartig macht ist die Leere und Ruhe ausserhalb der Städte. Ein riesiges Land (Fläche eine Million Km2) mit nur knapp zehn Einwohnern pro Km2, unvorstellbar für uns Schweizer mit fast 200 Bewohnern pro Km2. Leider hat es in den drei Wochen in Bolivien nicht gereicht, alle Regionen des Landes zu besuchen, ein Grund zurück zu kehren.

Für meine letzten zwei Wochen meiner Reise bin ich mit Schenk zurück nach Peru gereist, konnte nochmals die Gastfreundschaft der Familie Urbano in Lima geniessen und mit Rocio + Schenk einen schönen Abschluss ihrer Ferien feiern. Meine letzte kleine „Reise“ führte mich in die Region Arequipa, wo ich im Valle de Colca eine eindrückliche dreitägige Wanderung machte und mich schliesslich an diesem beschaulichen Badeort in Mejia für die Rückreise in die Schweiz versuche vorzubereiten. Bis zu minus zehn Grad soll es nächste Woche werden, da komm ich ja genau zum richtigen Zeitpunkt heim ;-). Ich verlasse Südamerika mit einem lachenden und weinenden Auge. Einerseits hätte ich gerne noch mehr Zeit hier verbracht, es gibt noch so viel zu sehen und die Menschen hier machen den Abschied auch nicht einfacher. Andererseits freue ich mich auch wieder auf die Schweiz, euch alle wieder zu sehen. Das Jahr 2012 bringt für mich auch einige Veränderungen mit sich, ich werde mir eine neue Arbeit in meinem Wunschbereich suchen, das erste Mal eine eigene Wohnung haben und mit neuen Eindrücken aus anderen Kulturen heimkehren.

Zum Abschluss meines vierten und letzten Blogs möchte ich euch allen danken für die vielen schönen Feedbacks, e-Mails und SMS während meiner Reise, die mir jeweils halfen, wenn ich mich alleine fühlte. Ich werde nicht mehr alle beantworten können in meinen letzten Reisetagen, hole dies jedoch in der Schweiz nach, versprochen. Ab dem Mittwoch 1. Februar 2012 bin ich wieder zurück in der Schweiz und habe vorläufig ganz viel Zeit für euch ;-).

Adios America del Sur, hola Suiza!

Silvan

Hier gehts zu den Fotos: