Eine Liebeserklärung an Südamerika
Wie schon beim Verfassen meines ersten
Blogs sitze ich am Strand und geniesse meine letzten Stunden auf
einem Kontinent, der mir ans Herz gewachsen ist. Ein kleines Beispiel
gefälligst? Gerade eben bin ich am Strand von einem Peruaner
angesprochen worden, ob ich mich nicht zu seiner Familie setzen
möchte um ein bisschen zu quatschen. Ich kenne inzwischen seine
Freundin und seine beiden Cousinen und wir haben uns für heute Abend
spontan verabredet, um gemeinsam ans Dorffest zu gehen. Mal ganz
ehrlich, ist das jemanden von euch schon jemals passiert in der
Schweiz? Anfänglich musste ich mich als Schweizer auch an diese
Offenheit gewöhnen und war öfters kritisch und zurückhaltend,
inzwischen lasse ich mich auf solche Dinge ein, ganz einfach weil es
wunderschöne Begegnungen sind, die Leute hier einfach Interesse am
Gegenüber zeigen und die Offenheit mitbringen, die uns oft fehlt,
eine beneidenswerte Eigenschaft der Südamerikaner. Ich weiss, dass
wir Schweizer eine völlig andere Mentalität haben und auch sehr
nett sein können, aber schon nur ein Bruchteil dieser Herzlichkeit
gegenüber Fremden würde, so glaub ich, einige aus dem Alltagstrott
des Individualisten ziehen. Probiert es doch mal aus, ich für meinen
Teil habe mir fest vorgenommen, in Zukunft ein bisschen weniger mit
der Einstellung „hey was will der von mir?“ auf Fremde zu
reagieren und auch mal aktiv jemanden ansprechen, der alleine ist und
vielleicht gerne Gesellschaft hätte.
la abuela in action, Weihnachten peruanisch |
Es ist viel Zeit vergangen seit meinem
letzten Blog, als Entschuldigung für meinen fehlenden
Dezemberbericht mache ich die Familie von Rocio (die Frau von Schenk)
und meine nimmer Müde Besucher Buri, Dävu und Schenk aus der
Schweiz verantwortlich ;-)). Wer schon mal eine peruanische
Weihnachten erlebt hat, dem muss ich wahrscheinlich nicht mehr viel
erklären. Hat jemand von euch schon mal mit der 88 jährigen
Grossmutter bis um 6 Uhr in der Frühe gefeiert und getanzt?! Tja so
läuft das bei der Familie Urbano in Lima, und wir hatten noch
etliche andere Familienfeste, eigentlich weiss ich gar nicht mehr so
genau was wir jeweils gefeiert haben, aber vor Tagesanbruch ins Bett
zu gehen scheint in dieser Familie tabu zu sein...Aber schön war es,
speziell an Heiligabend hat mir meine Familie schon fest gefehlt, und
ich war sehr froh, dass ich auf dieser Reise mit sehr guten Freunden
und bei einer wunderbaren Familie Weihnachten feiern konnte und nicht
irgend in einem Hostal verbringen musste.
Medellin, von einem Aussichtspunkt aus |
Überhaupt bin ich in den letzten
zweieinhalb Monaten immer wieder von mir eng vertrauten Personen
umgeben gewesen. Ich konnte so auf meiner Reise den Luxus geniessen,
einen Mix aus alleine Reisen und Gesellschaft von sehr guten Freunden
zu haben. Angefangen hat alles in Medellin (Kolumbien), welche ich zu
meiner Lieblingsstadt in Südamerika erkoren habe. Dort hat mich
Cathalina (Cousine von Michel, Ehemann von Ursula, kompliziert gell
;-)) empfangen und mir die ganze Stadt aus ihrer Sicht erklärt, das
Beste was einem für eine solch grosse Stadt passieren kann.
Anschliessend kam Anja für drei Wochen nach Kolumbien, um mit mir
den Norden des Landes inklusive der Karibikküste zu erkunden. Leider
waren wir in diesen drei Wochen nicht gerade vom Glück
verfolgt...Anja's Kamera und ihr ganzes Bargeld wurden aus einem
Hotelzimmer geklaut, während meine Wertsachen nicht im Ansatz
angetastet wurden, obwohl sie auch offen auf dem Bett lagen. Ab der
zweiten Hälfte wurde Anja von immer wiederkehrenden Bauchkrämpfen
geplagt, die trotz starker Antibiotika nicht schwinden wollten. Am
Schluss wurde es so schlimm, dass wir einen nicht geplanten Flug von
Santa Marta nach Bogota buchen mussten und dort vom Flughafen direkt
in die Notfallstation eines Spitals gingen. Nach intravenösen
Morphium, etlichen Telefonaten mit Versicherungen, Familie und
unserem Flugspezialisten Lorenz (ein grosses Merci an dieser Stelle
an dich Lorenzo), konnte Anja nach vier langen Tagen das Spital mit
der Diagnose Parasiten verlassen und endlich in die Schweiz zurück
kehren. Bei allem Respekt für das kolumbianische Gesundheitssystem,
ich wünsche niemanden einen Aufenthalt in einem Spital hier. Obwohl
als eines der besten Spitäler in Bogota angepriesen, waren wir nach
vier Tagen so etwas von entnervt und am Ende unserer Geduld, dass ich
unfreundlich werden musste. Anja wird hoffentlich trotz vielen Bauchschmerzen und dem Verlust
ihrer Fotos auch die schönen Momente in Erinnerung behalten.
Hotelzimmer mal ein wenig anders (auf dem Schiff) |
Um nach Peru zu gelangen, wählte ich
eine eher unbekannte Route. Diese führte mich über Laeticia von
Kolumbien nach Iquitos, eine einzigartige Stadt inmitten des
peruanischen Jungles ohne Verbindungsstrasse zum Rest des Landes. Das
Klima ist tropisch und die Temperaturen unglaublich hoch, meine
Tagesaktivitäten beschränkten sich darum auf Ausflüge mit einem
Mototaxi und ständiger Schattensuche. Weit erfrischender war dann
meine dreitägige Schiffsfahrt, um weiter westlich nach Tarapoto zu
reisen. Also eigentlich war es ein Cargoschiff. Von Auto, über
Metall bis hin zu Schweinen wurde nämlich alles transportiert, was
so auf ein Schiff passt. Und wie es der Zufall so wollte, war ich der
einzige Tourist unter ungefähr 600 Peruanern. Das anfänglich
erwähnte Interesse an Fremden war natürlich auch hier ungebrochen,
alle meine Versuche ein Buch zu lesen musste ich aufgeben. Ich war
ununterbrochen von zwei oder mehr Peruaner/innen umgeben, die mit mir
über Gott und die Welt sprechen wollten. Eigentlich schön, aber
nach drei Tagen hatte ich dann doch genug sozialen Austausch und war
Müde. In einer Hängematte zu schlafen tönt übrigens romantischer
als es effektiv ist, mein Rücken jedenfalls schmerzte jeweils nach
dem Aufstehen ziemlich heftig. Ich fand so einen guten Grund mir in
Tarapoto ein für meine Verhältnisse luxuriöse Bleibe zu suchen und
nach dem fast ungeniessbaren Essen auf dem Schiff die exzellente
Küche dieser Stadt zu kosten. Überhaupt ist die peruanische Küche
meiner Meinung nach mit Abstand die Beste der von mir besuchten
Ländern. Die Vielfältigkeit ist schier unbegrenzt und die Ceviche
(http://de.wikipedia.org/wiki/Ceviche)
einfach göttlich!
Machu Pichu, eine Klasse für sich! |
Mitte Dezember empfingen mich Buri und
Dävu in Mancora, dem wahrscheinlich bekanntesten Badeort von Peru.
Es war ein herzliches Wiedersehen und uns gefiels so gut in diesem
Ort, dass wir spontan fünf Tage dort verbrachten, bevor wir mit
einem Nachtbus nach Lima reisten. Lima ist immens und wir waren froh,
bei unserer Ankunft ein wenig Support von Rocio und Schenk zu
erhalten um direkt an das erste von noch vielen folgenden
Familienfeste geschleppt zu werden. Meine Reisekumpel werden es
bestätigen, dies waren definitiv die strengsten Weihnachten meines
Lebens ;-). Gut hatten wir am 27. Dezember einen Flug nach Cusco, so
konnten wir uns noch einige Tage ausruhen vor dem Neujahrsfest. Cusco
ist eine typische Kolonialstadt mit einer bemerkenswerten
Architektur, klein und übersichtlich und vollgepackt mit Touristen
aus der ganzen Welt. Kein Wunder, die verborgene Inkastadt Machu
Picchu ist nur wenige Stunden entfernt und ein Muss für jeden
Touristen, der dieses Land besucht. Lasst euch von der
Einzigartigkeit dieses Ortes überzeugen und schaut euch die Bilder
an. Die Frau in unserer Bande ist übrigens Judith, ein tolles Mädel
aus Passau in Deutschland, welches uns zehn Tage begleitet hat und in
jeder Hinsicht eine Bereicherung für uns war. Mit ihr überquerten
wir dann auch die Grenze zu Bolivien um in unsere letzte gemeinsame
Station (La Paz, die Hauptstadt von Bolivien) vor dem Rückflug von
Dävu und Buri zu gehen. Bolivien tickt ein wenig anders als die
anderen südamerikanischen Staaten. Die Leute sind eher scheu, oft
sogar nicht sonderlich gastfreundlich und eher traditionell
eingestellt. So sieht man beispielsweise auch in der Hauptstadt
haufenweise Frauen in Urtrachten. Und das Leben ist hart in diesem
armen Land, die Wirtschaft stagniert, es sind im Gegensatz zu Peru
kaum Fortschritte zu erkennen und die Politik wie an vielen Orten
hier in Südamerika korrupt. Was Bolivien für mich so einzigartig
macht ist die Leere und Ruhe ausserhalb der Städte. Ein riesiges
Land (Fläche eine Million Km2) mit nur knapp zehn
Einwohnern pro Km2, unvorstellbar für uns Schweizer mit
fast 200 Bewohnern pro Km2. Leider hat es in den drei
Wochen in Bolivien nicht gereicht, alle Regionen des Landes zu
besuchen, ein Grund zurück zu kehren.
Für meine letzten zwei Wochen meiner
Reise bin ich mit Schenk zurück nach Peru gereist, konnte nochmals
die Gastfreundschaft der Familie Urbano in Lima geniessen und mit
Rocio + Schenk einen schönen Abschluss ihrer Ferien feiern. Meine
letzte kleine „Reise“ führte mich in die Region Arequipa, wo ich
im Valle de Colca eine eindrückliche dreitägige Wanderung machte
und mich schliesslich an diesem beschaulichen Badeort in Mejia für
die Rückreise in die Schweiz versuche vorzubereiten. Bis zu minus
zehn Grad soll es nächste Woche werden, da komm ich ja genau zum
richtigen Zeitpunkt heim ;-). Ich verlasse Südamerika mit einem
lachenden und weinenden Auge. Einerseits hätte ich gerne noch mehr
Zeit hier verbracht, es gibt noch so viel zu sehen und die Menschen
hier machen den Abschied auch nicht einfacher. Andererseits freue ich
mich auch wieder auf die Schweiz, euch alle wieder zu sehen. Das Jahr
2012 bringt für mich auch einige Veränderungen mit sich, ich werde
mir eine neue Arbeit in meinem Wunschbereich suchen, das erste Mal
eine eigene Wohnung haben und mit neuen Eindrücken aus anderen
Kulturen heimkehren.
Zum Abschluss meines vierten und
letzten Blogs möchte ich euch allen danken für die vielen schönen
Feedbacks, e-Mails und SMS während meiner Reise, die mir jeweils
halfen, wenn ich mich alleine fühlte. Ich werde nicht mehr alle
beantworten können in meinen letzten Reisetagen, hole dies jedoch in
der Schweiz nach, versprochen. Ab dem Mittwoch 1. Februar 2012 bin
ich wieder zurück in der Schweiz und habe vorläufig ganz viel Zeit
für euch ;-).
Adios America del Sur, hola Suiza!
Silvan
Hier gehts zu den Fotos: